● Born a. Darss
Michael Markwick, Robert Muntean
A Sense of Possibility
20.3. – 2.5. 2021
Arbeiten
Sense of Possibility
Wie kann man heute noch gegenständlich malen oder sich überhaupt mit dem Figürlichen beschäftigen?“ fragte Robert Muntean in einem Interview. In seinen Werken sind Figuren stets präsent – mal deutlich erkennbar, mal verschleiert oder nur in Umrissen wahrnehmbar. Doch der Künstler lässt diese Figuren auch verschwinden oder aufbrechen, und verwandelt sie so während des Malprozesses. Was wir bei ihm sehen, sind keine ausführlichen Bilder oder akkuraten Porträts, sondern Erscheinungen und Farbinszenierungen. Man könnte sagen, dass die Figur bei Muntean als eine Art Platzhalter dient: als eine Form, die der Farbe Struktur verleiht. Bei Muntean ist die Figur der Ausgangspunkt einer Reise, die uns ins Unbekannte führt.
Es ist die natürliche Umgebung, die Michael Markwick als Ausgangspunkt seiner Malerei dient. Obwohl die Natur sein Hauptmotiv ist, war Markwick nie ein Landschaftsmaler im klassischen Sinne, der Bäume, Hügel oder Seen darstellt, wie wir sie etwa durch ein Fenster sehen könnten. Die Natur ist für Markwick vielmehr die treibende Kraft und Energiequelle seiner Malerei – die Ursache für sein Bedürfnis, überhaupt zu malen. Es ist das Strahlen der Sonne, das Geräusch des Windes in den Bäumen, das ihn inspiriert. Für Markwick ist die Natur ein Ort, an dem sich das Leben in seiner ganzen Fülle und Vielfalt zeigt, von Kälte und Grausamkeit bis zu sublimer Schönheit und Spiritualität.
Was die Figur für Muntean, ist für Markwick die Landschaft. Beide Künstler haben ein jeweiliges Grundmotiv, das ihnen als Basis ihrer Maltechniken dient. Interessanterweise ist dies auch der Punkt, an dem sich die Arbeiten der beiden überschneiden: Wenn Muntean seine Figuren malt, schafft er um die Figuren herum einen Raum aus Farbe und Tiefe. Und wenn Markwick die Natur malt, deutet er oft die Anwesenheit einer Figur an, um eine Beziehung mit dem Betrachter herzustellen. Das mag ein flüchtiger Blick sein, eine Figur im Verborgenen oder ein Skelett – bei dem Menschen, der vor dem Bild steht, wird so eine Verbindung zu dieser natürlichen Umgebung hergestellt. In den Werken der beiden Maler sind Figur und Raum kaum voneinander zu trennen. Und während der eine sich dem Auftauchen einer Figur im Raum widmet, zeigt uns der andere den Raum, den es im Inneren einer Gestalt zu entdecken gibt.
Was mit gelegentlichen gegenseitigen Atelierbesuchen, mit einer künstlerischen Freundschaft unter Nachbarn begann, hat sich im Laufe der Jahre zu einem Dialog der beiden Maler entwickelt. Muntean hatte Wien verlassen und war nach Berlin gezogen. Markwick war in den USA aufgewachsen und hatte in den Niederlanden gelebt, bevor auch er sich in Berlin niederließ. Die beiden Künstler hatten ihre Werke bereits im Rahmen verschiedener Gruppenausstellungen
gezeigt; jetzt treten sie erstmals zu zweit auf.
Wenn man sich ihre Arbeiten ansieht, spürt man, dass sich hier zwei Künstler gefunden haben. Und man bemerkt die gemeinsamen Interessen und die fließenden Übergänge beider Werke. Muntean und Markwick arbeiten sich an derselben Frage ab: Was bedeutet es, Maler im 21. Jahrhundert zu sein?
Keiner der beiden hat ein Interesse daran, die Dinge auszubuchstabieren: Ein Gemälde soll keine Illustration sein. Stattdessen verstehen sie die Malerei als eine Möglichkeit, Empfindsamkeit zu wecken und Schichten des Erkennens freizulegen. Ihre Werke geben uns zu verstehen, dass die Dinge nicht das sind, was sie auf den ersten Blick scheinen. Auf den zweiten oder dritten Blick sieht man etwas Neues. Der von den Künstlern gewählte Name der Ausstellung, A Sense of Possibility, spiegelt genau diese Wahrnehmung wider.
Wenn wir an das Jahr denken, in dem diese Bilder entstanden sind, so denken wir an eine Zeit der Pandemie, die für viele von uns von Einschränkungen und Sorgen geprägt war. Um Gefühle der Unzufriedenheit oder Frustration zu bewältigen, mussten wir ihnen freudige Momente, Vertrauen und Hoffnung entgegensetzen. Solche Gemütszustände können in Gemälde einfließen, ohne dass dies ausdrücklich geschieht, denn die Malerei vermag es, das Nebulöse, das Unausgesprochene, das Unbewusste zu zeigen.
„Mir gefällt das Spannungsverhältnis zwischen fester und flüssiger Malerei und dass die Malerei die Härten unserer Existenz abzubilden vermag“, bemerkte Markwick einmal. In seinen Gemälden auf Seide beschwört er eine zuvor unerreichte Zartheit und Qualität des Lichts – mischt dann allerdings Sand in die Farbe, um so auch grobe Flecken zu erzeugen. In Munteans Arbeiten bilden die Farben sozusagen Akkorde, die in ihrer Gesamtheit einen „Klang“ erzeugen, wie der Künstler
es selbst ausdrückt. Dieser kann laut und dissonant oder aber auch harmonisch sein.
Wenn wir uns bedrängt fühlen, sprechen wir davon, dass wir „Luft zum Atmen“ brauchen, dass wir uns „Platz verschaffen“ wollen. Bei dieser Ausstellung zeigt sich das „Platz verschaffen“ als ein komplexes, vielschichtiges und existenzielles Unterfangen. Die beiden Künstler setzen einen Rahmen, erzeugen gewissermaßen eine Bühne, auf dem ein Subjekt handelt. Sie treiben die Gestaltung bis zu dem Punkt voran, an dem eine Gestalt gerade noch erkennbar ist, und nehmen sich dann zurück, um dem Betrachter ausreichend Platz zu verschaffen, die Darstellung für sich zu vollenden. Beiden Künstlern geht es um die Frage, ob und wann ein Bild überhaupt vollendet sein kann. Dabei wägen sie sorgfältig ab, was festzulegen ist und was offen zu bleiben hat. Dieses Streben nach Kontingenz ist nicht etwa der Versuch, besonders geheimnisvoll zu erscheinen. Es geht vielmehr um das Kunstwerk selbst, das dynamisch sein sollte und das Leben in seiner ganzen Flüchtigkeit mit all seinen Unterströmungen einfangen sollte. Und das zugleich offen bleiben soll für eine noch unbekannte Zukunft.
Jurriaan Benschop, Februar 2020
Übersetzung: Ingrun Wenge
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