● Berlin
Nora Mona Bach
METAMORPHIT
6.3.–26.4. 2025
Eröffnung und Katalogvorstellung
Donnerstag, 6. März, 17 – 20 Uhr
Katalogpublikation „Nora Mona Bach – METAMORPHIT“
Bereits zur Verleihung des Kunstpreises des Landes Sachsen-Anhalt an Nora Mona Bach im November 2024 erschien im MMKoehn Verlag die Katalogpublikation „METAMORPHIT“ mit Texten von Kristina Bake, Ines Janet Engelmann und Jan-Philipp Fruehsorge. Sie wurde wurde gefördert von der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt.
Arbeiten
Jan-Philipp Fruehsorge
Schichtungen und blinde Spiegel Zu den Zeichnungen von Nora Mona Bach (Textauszug aus dem Katalog ‚Nora Mona Bach - METAMOrPHIT‘)
„[…] In den Arbeiten von Nora Mona Bach verweist Natur nicht allein auf das dargestellte Sujet, auf das, was man gemeinhin das Thema nennt, vielmehr scheint die Natur auch und in besonderer Weise in der von ihr verwendeten Materialität auf und wird so sichtbar. Nora Mona Bach hat sich für Kohle in pulverisierter Form entschieden und damit für ein zutiefst archaisches Material. Die Kunsthistorikerin Monika Wagner schrieb über dieses in Bezug auf Arbeiten des Künstlers
Jannis Kounellis, dass es „die Naturgeschichte hinter sich (gelassen) und als Energiespeicher die Kulturgeschichte noch vor sich“ habe.
Auch wenn die zu Staub zerriebene Kohle schwerlich noch als Brennstoffreservoir dienen kann, so spürt man doch ihre ganz spezielle Aura, die über ihre ästhetische Erscheinung hinausreicht.
In dieser zeitlich doppelt kodierten Stellung zwischen der Entwicklungsgeschichte der Erde und der Zukunft der Menschheit scheint die (Zeichen)kohle in besonderer Weise mythisch aufgeladen und mit der Natur verbunden zu sein Sie selber ist Resultat eines – man möchte fast meinen alchemistischen – Transformationsprozesses. Als geköhlertes Holz, das unter Sauerstoffabschluss kontrolliert dem Feuer ausgesetzt wurde, scheint sie nur knapp der Zerstörung entgangen und trägt doch in der Hand eines Künstlers oder einer Künstlerin das Potenzial unendlicher Schöpfungen in sich. Dem auf das Papier aufgetragene Material ist die Magie der Verwandlung also eingeschrieben, es transferiert diese auf das Trägermaterial. Es ist eine Eigenart der Zeichnung, dass sich in ihr Markierung und Fläche in besonderer Weise vermählen und durchdringen. Die Moleküle des Kohlenstaubs dringen in die Oberfläche des Papiers ein und sättigen es mit ihrer Präsenz. Indem es die Partikel wie eine sich verdunkelnde Staubwolke einsaugt, wird das Papier zu einem materiellen Bestandteil der Kohlensphäre.
Zu den überwiegend grau-schwarzen, von der Kohle dominierten und flächigen Kompositionen der letzten Jahre sind seit einiger Zeit auch farbige Blätter dazugekommen. Auf dem Papier sitzt nun Pastellkreide direkt neben der Kohle. Die Farbe umkreist die Farblosigkeit, sie rahmt sie ein und stellt sich ihr in den Weg, schiebt sich als semitransparenter Keil in den Blick oder durchquert als Diagonale das Bildfeld – wie das Signalzeichen eines unsichtbaren Mastes, gehisst zum Anhalten einer Bewegung. Nora Mona Bach spricht von der Farbe als einem „Angebot an das Publikum“, ein Lockruf, eine Brücke hinein ins Bild, sie ebnet den Weg dort, wo er möglicherweise zu steinig, schroff, düster, staubig und abweisend schien. Plötzlich leuchtet der Rand oder ein Streifen auf und zwischen der Farbe und dem Grau entsteht eine Spannung. Sie ist gleichsam Raum und Grenze, die neu verhandelt wird, wie zwischen zwei unterschiedlichen Sphären – wie sich kalt und warm oder die Aggregatszustände fest und flüssig aneinander annähern oder eben schroff gegenüberstehen.
Das Bild als Geröllfeld, als Steinbruch, aber eben auch als Wolkenbank und Fleckenteppich, als zerbröselnde, korrodierende Oberfläche, nebulös und schlierenhaft – all diese Phänomene ziehen auf wie ein Flirren eines zu heißen Sommertages oder wie die klirrende Kälte eines frostigen Wintermorgens, an dem der Atem zu Dampf aufsteigt.
Im Brief des Jakobus heißt es „Was ist euer Leben? Dunst seid ihr, der eine kleine Zeit bleibt und dann verschwindet.“ ( Jakobus 4,14 ) Und der Maler John Constable, der wie kein anderer den Blick in den Himmel richtete, um das Naturschauspiel der Wolken zu studieren, sah in der Malerei einen Zweig der Naturphilosophie, deren Experimente die Bilder sind. Wie auch immer, die ephemeren Bildgeschehnisse oder zerstäubenden Bildtatsachen lassen den Blick unscharf werden, ohne dass es im Bild zu konkret werden muss. Gewiss ist jedoch zumindest eines: die formal-materielle Situation, die Verteilung und Verdichtung von Pigmenten auf einer planen Oberfläche. Der Fleck als kreativer Nukleus taucht in der Kunst immer dort auf, wo die präzise Setzung noch nicht Fuß fassen kann oder soll.
Wo ein zeichnerischer Entwurf ohne kristalline Fixierung bleibt. Wo der Gedanke ohne Widerhaken haltlos irrt.
Als die Zeichnung in der europäischen Renaissance als Gedankenkunst erfunden wurde – beziehungsweise die Zeichnung, die es bereits gab, zum intellektuellen Akt nobilitiert wurde, hat das Konzept die Form der Linie angenommen. Disegno, das war Trennschärfe und Abgrenzung vom wuchernden Staunen und Suchen ohne Form. Und doch ist das wolkig- schwammig Diffuse der Urschlamm von Schöpfung, das Gegenbild zur rationalen Invention und die Rückseite der Medaille. Die Dialektik braucht beides: Wachstum und Konstruktion. Leonardo zitiert in seinem Traktat von der Malerei aus dem Jahr 1500 den Künstlerkollegen Sandro Botticelli, der einst empfahl, einen getränkten Schwamm an die Wand zu schleudern, um so Impulse für die Imagination – insbesondere für die Gestaltung der Landschaft, zu gewinnen; und der britische Landschaftsmaler Alexander Cozens entwickelte im 18. Jahr- hundert eine „theory of blots“. Es ging ihm darum, durch Spontanität und Automatismus sowie mithilfe des Flecks den Genius des gelenkten Zufalls erschaffen zu können. In der Gestalt des Flecks fallen Auflösung und Wachstum zusammen, die Lesbarkeit verflüssigt sich und wird diffus. Jeder Spritzer, der auf dem Papier landet, ist Zeichen einer energetischen Entladung, die eine Richtung hat: blattwärts. Und im Blatt ziehen sich die pulverisierten Gesten zusammen und streben wieder auseinander und die Flecken und Spritzer prallen zurück aus dem Bild heraus.
Bevor die Kunst der Nachkriegszeit im Informel und in den verschiedenen Formen der lyrischen Abstraktion ihre ersten großen Ausformungen erfährt, finden sich für das scheinbar Gestaltlose, das fluid Amorphe, das irisierend Atmosphärische, wo Material und Bildgegenstand noch in der Schwebe sind, bereits Präfiguration in den Werken des 19. Jahrhunderts, so in den zur Durchsichtigkeit tendierenden Bildern William Turners oder in den dunkel romantischen Zeichnungen des französischen Schriftstellers Victor Hugo.
Nora Mona Bachs Blätter sind also einerseits aus dem Material gemacht, das wie ein geologisches Gedächtnis von den Sedimenten der Vergangenheit erzählt, von den staubigen und steinernen Tiefenschichten der Erde, aber auch von den Wachstumsprozessen der Pflanzen und deren wuchernden Formenwelten. Neben den Texturen des Diffusen tauchen auf den Bildflächen nun auch Silhouetten unterschiedlichster Vegetationen auf. Teils wie mit dem Weichzeichner geformt, wie hinter Milchglas, teils scharfkantig umrissen, heben sie sich ab vom Grund und erinnern an Scherenschnitte oder an Photogramme. […]“
Zitiert aus dem Katalog:
Nora Mona Bach – METAMOPRHIT
Texte: Kristina Bake, Ines Janet Engelmann, Jan-Philipp Fruehsorge
Gestaltung: Maria Magdalena Meyer, 88 Seiten, Hardcover
ca. 60 Abbildungen
24 × 26 cm
978-3-910640-00-9
(deutsch / englisch)
32€
MMKoehn Verlag, Leipzig / November 2024
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