● Berlin
John Noel Smith
One Line
Eröffnung: Donnerstag, 6. November, 17 – 20 Uhr
6.11. 2025 – 3.01. 2026
Arbeiten
















John Noel Smith sagte einmal, dass er die Malerei als eine Art "sinnlich-körperliche Form von Wissen" verstehe, die sinnliche Wahrnehmung ist sowohl für die Methodik als auch für die Inhalte eines Werkes zentral. Tatsächlich scheint die Oberfläche seiner Gemälde einer Haut zu gleichen: mehrschichtig, glänzend, haptisch, lebendig.
Mehr noch: Seine Bilder bestätigen eindrücklich einen Gedanken des Philosophen Maurice Merleau-Ponty, wonach wir ein Gemälde eigentlich nicht ansehen, sondern vielmehr mit ihm beziehungsweise einem Gemälde entsprechend sehen. Denn wenn wir uns mit einem Gemälde befassen, passen wir unsere Wahrnehmung dem Empfinden des Malers an – nicht in einem distanzierten, intellektuellen Sinne, sondern auf eine verflochtene, körperliche Weise, die unmittelbar von der eigenen Erfahrung geprägt ist – und als Wesen, das dieser Welt untrennbar angehört. Anstatt also wie in einem „Theater des Geistes“ nur Darstellungen zu betrachten, ist das Bewusstsein eines jeden Subjekts voll und ganz in der physischen Welt verortet und aufs engste mit ihr verwoben. So erleben wir die Wahrnehmung und die schöpferischen Prozesse des Künstlers unmittelbar und körperlich über eine „geheime Sichtbarkeit“, wie Merleau-Ponty es nennt. In der Rückschau ist Smiths Werk von Anfang an vom Gefühl der Körperlichkeit durchdrungen, das jeglichen gedanklichen Raum zwischen Betrachtendem und Betrachtetem, Denkendem und Gedanken aufhebt.
Seine Selbstbeschreibung als hardcore abstractionist deckt sich dabei mit seiner Ablehnung der Abbildung und konventioneller Darstellungsformen. Der abstrakten Kunst wird immer wieder unterstellt, sie verfolge diminishing returns, mit zunehmender Loslösung vom Gegenständlichen nehme der ästhetische oder emotionale Gewinn zwangsläufig ab; eigentlich handele es sich um eine private Innenschau, die sich mit dem beschäftige, was etwas abfällig als „formale Werte“ bezeichnet wird. Diese Annahme ist jedoch falsch.Smiths Gemälde befassen sich eindeutig mit der Wirklichkeit, zugleich zeugen sie davon, dass er die Welt im Kontext seines eigenen Seins wahrnimmt und gestaltet.
Der Maler Willem de Kooning sagte einmal über Künstler, die die Werke anderer Künstler betrachten: „Wir tun uns schwer damit, etwas zu sehen, das sich von der eigenen Arbeit unterscheidet.“
Das bedeutet: Kunstschaffende existieren sozusagen in ihren eigenen Werken und nehmen die Welt zugleich durch ihre Arbeit wahr. Wahrnehmung und Erkenntnis sind unweigerlich körperlich. Smiths Gemälde lassen sich als Schnittstelle verstehen, die in diesem mehrdeutigen Zwischenraum entsteht und existiert: ein Raum, der durch das Selbst als Teil der Welt und mit der Welt verwoben erzeugt wird.
Smiths künstlerischer Ansatz hat sich herauskristallisiert, als er 1980 erstmals nach Berlin kam, sich dort niederließ und dann mehr als zwei Jahrzehnte dort lebte und arbeitete. Als irischer Exilant erkannte er, wie stark sein Selbstverständnis von seiner irischen Herkunft, der geteilten Insel, geprägt war – und so ließ er in seine Reflexionen zum Thema Identität emblematische Zeichen und Symbole einfließen, von linearen Inschriften des keltischen Ogham-Alphabets bis zum irischen Kleeblatt. Im Laufe der Zeit weitete er diese Embleme auf weniger kulturspezifische Strukturen, auf Schachbrettmuster und Kreuzschraffierungen aus, die als Metaphern für Denk- und Kommunikationsweisen gelten können. Diese Entwicklung könnte man metaphorisch als Übertragung der Teilung Irlands auf globale Teilungen und Polarisierungen verstehen. Die Themen Spaltung, Dualität und Polarität ziehen sich durch sein Werk, in dem alternative oder gar gegensätzliche Systeme immer wieder aufeinandertreffen. Allerdings, und das betont der Künstler, gehe es nicht darum, Fragmente einander gegenüberzustellen – vielmehr fügen seine Bilder aus unterschiedlichen Elementen ein Ganzes zusammen; sie „leben“ sozusagen mit diesen Differenzen. Besonders deutlich wird dies in den Werken der Serie „Obstacle Course“, in der sich eine kontinuierliche, labyrinthartige Linie durch die kompositorische Weite schlängelt. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass gerade von diesen Gemälden eine besonders ausgeprägte metaphorische Strahlkraft ausgeht.
Aidan Dunne - Übersetzung Ingrud Wenge
Die Künstlerzitate stammen aus einem Gespräch mit Patrick T Murphy, 2002; Willem de Kooning in: The Partisan Review, Herbst 1967; die Werke von Maurice Merleau-Ponty, auf die Bezug genommen wird, sind The Phenomenology of Perception, 1945, und The Visible and the Invisible, 1964).
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